Kennst du diese Momente, in denen du ganz in deiner Tätigkeit versinkst, alles um dich herum vergisst, einfach aus Freude am Tun weitermachst und aus Minuten Stunden werden oder aus Stunden Minuten? Genau das ist Flow, der Zustand optimaler menschlicher Erfahrung. Wir alle kennen ihn und erleben ihn mehr oder weniger regelmäßig in unserem Leben.
Flow bezeichnet die Momente, bei dem Mensch und Tätigkeit im Einklang sind und die Handlung als mühelos und fließend wahrgenommen wird. Dieser Empfindung des „Im Fluss seins“ und dem fließenden hat der Flow auch seinen Namen zu verdanken. Mihály Csíkszentmihályi hat in seinem Forscherleben das Erleben von Flow untersucht und uns viele interessante Erkenntnisse über die Wirkung von Flow und Möglichkeiten Flow zu erleben, beschert.
Geschichte der Flow-Forschung
Mihály Csíkszentmihályis Forschung war getrieben von der Frage, warum Menschen Energie und Zeit in Tätigkeiten investieren, für die sie keine extrinischen Belohnungen bekommen. Er hatte in den 60er Jahren den kreativen Prozess von Künstlern untersucht und festgestellt, dass diese während der Arbeit an ihrem Kunstwerk alles um sich herum vergessen konnten, manchmal sogar das Essen oder Schlafen. Wenn das Kunstwerk jedoch fertiggestellt war, schien es, als würden sie jegliches Interesse daran verlieren und wandten sich bald wieder der nächsten Arbeit zu. Dafür schien es vollkommen irrelevant zu sein, ob sie für ihre Kunstwerke eine Belohnung erwarten konnten und es gab auch keine extrinsische Regulation, die die Künstler dazu anhielt zu malen. Sie taten es anscheinend aus reiner Freude am Tun.
Damals waren in der Psychologie noch die Ansichten der Psychoanalytiker und der Behavioristen vorherrschend. Die Psychoanalytiker gingen davon aus, dass der Mensch seinen Trieben folgte und versuchte diese zu befriedigen. Die Behavioristen erklärten menschliches Verhalten durch die Anwesenheit von Belohnung bzw. Strafe. Doch keiner dieser Ansätze konnte erklären, warum die Maler malten und Menschen etwas einfach aus Freude und angetrieben durch intrinsische Motivation tun.
Das nahm Csíkszentmihályi zum Anlass Untersuchungen vorzunehmen, um diese Art der Tätigkeiten besser zu verstehen. Statt zuerst eine Theorie zu entwickeln, startete er mit der Untersuchung des menschlichen Erlebens. Anfangs führte er Studien an Schachspielern, Kletterern und Tänzern durch und untersuchte damit Tätigkeiten, die eher intrinsisch motiviert sein mussten, da es keine Belohnung dafür gab. Die zweite Gruppe, die er untersuchte, waren Chirurgen und Lehrer, die für ihre Tätigkeit sowohl intrinsisch, durch Freude, als auch extrinsisch, durch Geld, motiviert sein konnten. Durch seine Befragungen fand Csíkszentmihályi heraus, dass beide Gruppen ihr Erleben der Tätigkeiten ähnlich beschrieben. Sie beschrieben ein Erleben von Mühelosigkeit, Fließen und Selbstvergessenheit. Daraus leitete Csíkszentmihályi eine psychologische Theorie des Flows ab und gab dem Phänomen offiziell den Namen Flow.
Aus seinen Befragungen entwickelte er anschließend Fragebögen für die weitere Forschung. Da Flow ein Zustand des aktuellen Erlebens ist, der u.a. durch wenig Selbstreflexion gekennzeichnet ist, ist es gar nicht so trivial diesen zu untersuchen. Um Menschen zu Flow zu befragen, musste man sie zwangsläufig im Flow unterbrechen und es war in Experimenten auch kaum möglich Flow gezielt herzustellen. Deshalb kam in späteren Studien auch die Experience Sampling Methode zum Einsatz. Dabei bekamen die Studienteilnehmer ein kleines Gerät (heute wäre es das Smartphone mit einer App), das mehrmals am Tag piepte oder vibrierte und die Teilnehmer dazu aufforderte einige Fragen zu ihrem aktuellen Erleben zu beantworten. So bekam man eine Vielzahl von Daten aus dem Alltag der Teilnehmer und erwischte sie mit Glück gerade in einer Flow-Tätigkeit.
Damit entstehen vier Dimensionen, anhand derer man Emotionen einordnen kann, wobei die Dimensionen nicht trennscharf sind, sondern ineinander übergehen. Denn Emotionen sind selten nur angenehm oder unangenehm, oder nur aktivierend oder deaktivierend. Sie bewegen sich auf einem Kontinuum und teilweise weichen die Zuordnungen auch individuell ab. Trauer kann von manchen Menschen oder in manchen Situationen als eher deaktivierend, in anderen wiederum als eher aktivierend erlebt werden. In der Positiven Psychologie interessiert uns vor allem die unterschiedliche Qualität der Emotionen. Der Fokus liegt auf den positiven Emotionen, wobei negative Emotionen in der Positiven Psychologie weder ignoriert, noch abgelehnt werden. Negative Emotionen sind genauso Teil eines glücklichen Lebens und erfüllen oftmals einen wichtigen Zweck.
Die Erfahrung von Flow
Flow ist eine subjektive Erfahrung, die den Alltag von Menschen prägt. Wenn man an Kinder beim Spielen denkt, hat man ein gutes Beispiel für Flow. Flow ist geprägt von mehreren Aspekten menschlichen Erlebens:
Verschmelzen von Handlung und Bewusstsein
Im Flow befinden sich Mensch und Tätigkeit im Einklang und man geht vollkommen in seiner Tätigkeit auf. Die Tätigkeit geht mühelos von der Hand und es kein Nachdenken nötig.
Fokussierung der Aufmerksamkeit
Im Flow ist die Konzentration komplett auf die Tätigkeit gerichtet und alles andere tritt in den Hintergrund. Man vergisst alles um sich herum und nimmt seine Umgebung, Geräusche oder andere Personen nicht mehr wahr.
Selbstvergessenheit
Im Flow nehmen Gedanken über das eigene Selbst ab, der innere Dialog verstummt und es werden keine sozialen Vergleiche mehr angestellt. Es ist vollkommen irrelevant, wie man gerade aussieht oder was andere über einen denken. Alle Sorgen, Probleme und Belastungen sind für den Moment vergessen.
Gefühl der Kontrolle
Im Flow erlebt man sich als selbstwirksam und kompetent. Man ist weder über- noch unterfordert und hat das Gefühl die Tätigkeit im Griff zu haben. Die eigenen Fähigkeiten passen zu der Anforderung, die die Tätitgkeit mit sich bringt.
Eindeutige Handlungsanforderungen
Im Flow weiß man zu jeder Zeit, was als nächstes zu tun ist und hat ein Gefühl dafür, ob die eigene Handlung einem dem Ziel näher bringt oder nicht. Das Ziel ist klar und jeder Schritt ist im Einklang mit dem Ziel und gibt ein unmittelbares Feedback über das eigene Tun.
Autotelische Erfahrung
Eine Tätigkeit im Flow genügt sich selbst und man handelt selbstbestimmt und autonom. Flow entsteht aus intrinsischer Motivation, echtem Interesse und Freude am Tun. Externe Belohnungen sind irrelevant bzw. können sogar kontraproduktiv wirken. Die Tätigkeit selbst ist das Ziel.
Verändertes Zeiterleben
Im Flow verläuft die Zeit subjektiv anders. Die vergangene Zeit kann sich viel kürzer anfühlen oder kurze Momente dehnen sich aus. Gleichzeitig spielt die vergangene Zeit keine Rolle, während man Flow erlebt.
Die Erfahrung von Flow beinhaltet meist einen Großteil der erläuterten Kriterien. Man weiß aus Untersuchungen, dass alle sieben Aspekte miteinander im Zusammenhang stehen. Als zentrales Kriterium für Flow wird jedoch das Verschmelzen von Handlung und Bewusstsein und das Aufgehen in der Tätigkeit angesehen.
Die Wirkung von Flow
Flow kann grundsätzlich bei jeder Tätigkeit erlebt werden und ist unabhängig von Alter, Bildungsstand, Geschlecht, Kultur oder Talenten. Und da Flow viele positive Effekte hat, ist es für jeden nützlich und gesund Flow zu erleben. Im Nachhinein führt Flow zu positiven Emotionen, wie Freude, das Gefühl von Kompetenz und Stärke oder Energetisierung. Durch Flow trainieren wir unsere Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit. Es zeigen sich Zusammenhänge zwischen Leistungsfähigkeit und Erfolg, nicht nur im Beruf, sondern auch beim Lernen, im Sport oder bei künstlerischen Tätigkeiten. Wenn man Flow erlebt, fördert das die Motivation und ermutigt einen auch Herausforderungen anzugehen.
Reflexion
Bei welchen Tätigkeiten in deinem Alltag erlebst du regelmäßig Flow?
Wie regelmäßig führst du diese Tätigkeiten aus?
Welche der Tätigkeiten würdest du gerne häufiger durchführen?
Flow, als Zustand optimaler menschlicher Erfahrung, sollte ein Bestandteil unseres Alltags sein, weil er uns leistungsfähig und erfolgreich macht und gleichzeitig anzeigt, dass wir Aktivitäten nachgehen, die uns Freude machen. Als Inbegriff intrinsischer Motivation ist Flow ein erstrebenswerter Zustand, den auch du mehr in dein Leben bringen kannst.
Ich wünsche dir viele Flow-Momente!
Deine Alexandra
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